Schlagwort-Archive: Online-Banking

Die Konzentration und Marktbereinigung im deutschen Bankensektor nimmt an Intensität weiter zu – mit welchen Konsequenzen? Teil 1: Kreditbanken (inklusive Privatbanken)


Nun ist die Finanz- und Wirtschaftskrise schon einige Jahre her und seit den Turbulenzen der Jahre 2008 und 2009 ist wieder so etwas wie Ruhe eingekehrt. Der deutsche Aktienindex DAX knackte in diesem Jahr mehrfach die 10.000 Punkte-Marke, die EZB pumpt weiterhin großzügig und fröhlich Liquidität und damit „Schmiermittel“ in die Märkte, Marktzinsen und Inflationsraten sind historisch niedrig und die deutschen Geschäftsbanken verdienen wieder richtig Geld – also alles wieder in Ordnung im deutschen Bankenmarkt nach langer Durststrecke?

Man muss da schon genauer hinsehen, um die entsprechenden „Megatrends“ bei den deutschen Geschäftsbanken identifizieren und werten zu können. Und man muss ganz klar innerhalb der jeweiligen Institutsgruppen differenzieren. Nur dann ist es möglich, sich einer Prognose zuzuwenden.

Alfred Herrhausen – der vielleicht letzte große Visionär unter den deutschen Bankern und eine absolut faszinierende, charismatische Persönlichkeit – hat bereits in den 80er Jahren davon gesprochen, dass die „Banken die Stahlindustrie der Zukunft“ sein werden. Mit allen harten und schmerzhaften Konsequenzen. Seine Prognosen sind zum Großteil bereits eingetreten: Der schnelle Wandel in den Banken, der ganz wesentlich nach seinem Tod 1989 einsetzte, hat den Bankenmarkt bis heute stark verändert.

Die Börsen-Krise am sog. „Neuen Markt“ in den Jahren 2000 und 2001 verstärkte bereits den Veränderungsdruck bei den Banken durch das in diesen Jahren immer weiter boomende Online-Banking und -Broking. Die Kunden konnten dank Internet und einer ansteigenden Technisierung bei den Instituten eine Bank immer mehr als SB-Filiale – ähnlich wie ein Einzelhandelsgeschäft – nutzen und die Banken stellten für das sog. „Mengengeschäft“ mit dem „normalen“ Privatkunden immer mehr standardisierte (kostensparende) Produkte und immer weniger (qualifizierte) Beratung zur Verfügung. Heute gibt es eine stetig ansteigende Zahl menschenleerer SB-Filialen mit einer Vielzahl von hoch entwickelten Automaten, am Bankschalter begrüßen Sie immer häufiger ehemalige Hotelfachleute oder Einzelhandelsverkäufer, die als angelernte „Banker 2.0“ die Standard-Transaktionen der Kunden am Schalter abwickeln.

Neben den schmalen Produkt- und Dienstleistungs-Regalen für die „Normalbürger“ wurden immer opulentere Angebote für die sog. „vermögenden Privatkunden“ (Kunden ab einem freien Geldvermögen von i.d.R. EUR 100.000 und mehr) platziert. Aufwendige Beratungszentren mit hochwertiger Ausstattung, speziell geschulte Mitarbeiter, eine breite und teilweise sehr komplexe Produktpalette, professioneller und internationaler Wertpapier- und Derivate-Handel und ein besonders persönlicher Service sollten die Erträge im Privatkundengeschäft sprudeln lassen. Das Investmentfonds-Geschäft wurde massiv voran getrieben, konnten doch die für die Banken überaus ertragreichen sog. „Ausgabeaufschläge“ direkt von der Anlagesumme des Kunden am Tag des Erwerbs vereinnahmt werden.

Es wurden Kooperationen bzw. Beteiligungen mit den lange von den Banken im Kampf um Kunden als Feindbild bekämpften Lebensversicherungsgesellschaften eingegangen, manche Institutsgruppen gründeten sogar eigene Tochtergesellschaften für das lukrativ erscheinende Versicherungsgeschäft. Die Versicherungsgesellschaften entdeckten daraufhin selbst die vermeintliche Attraktivität einer Bank und stiegen teilweise ebenfalls in diesen Markt ein (ALLIANZ SE bei der bereits mittlerweile von der COMMERZBANK AG geschluckten DRESDNER BANK AG). Alle Institute besitzen in der Zwischenzeit eigene Tochtergesellschaften für das Investmentfonds-Geschäft. Immer weiter zulegen konnten in den vergangenen Jahrzehnten freie Finanzvermittlern und Finanz-Strukturvertriebe, die ihre Kunden mit teilweise abenteuerlichen Produkten versorgten. Bei allen Finanzdienstleistern boomte zudem das Zertifikate- und ETF-Geschäft.

Durch die Finanz- und Wirtschaftskrise und in der Folge die Banken- und Staatsschuldenkrise wurden auch die deutschen Institute nach 2008 nahezu komplett auf den Kopf sowie den Prüfstand gestellt. Erkennbare Folgen waren – neben allgemeinem Personalabbau in allen Instituten – insbesondere die drastische Reduzierung des Filialnetzes sowie eine stark zunehmende Fusionswelle (Zusammenlegung mehrerer rechtlich selbständiger Einheiten durch Zusammenschluss).

Wie ist nun aktuell die Situation innerhalb der Geschäftsbanken bzw. einzelnen Institutsgruppen? Und was ist vor allem künftig generell im Bankenmarkt zu erwarten?

Zunächst sollte man sich den Bereich der sog. „Kreditbanken“ ansehen, zu denen neben der DEUTSCHE BANK AG und der COMMERZBANK AG auch insbesondere die sog. „Privatbanken“ gehören.

Während die DEUTSCHE BANK AG die ab 2008 entstandenen Krisen-Turbulenzen zunächst vermeintlich gut ohne staatliche Stützung verkraften konnte, musste die COMMERZBANK AG mit massiver staatlicher Hilfe „gerettet“ werden. Mehrere Kapitalerhöhungen später ist die Staatshilfe nahezu vollständig zurückgezahlt und die COMMERZBANK AG richtet den Blick wieder optimistisch nach vorne. Die unter Bankern jovial als „größte deutsche Sparkasse“ bezeichnete Großbank wird ihr Geschäftsmodell allerdings dringend überarbeiten müssen, um langfristig am Markt erfolgreich bestehen zu können. Dabei könnte in der Tat eine große Chance in den Zielgruppen-Segmenten Privatkunden- und Mittelstandsgeschäft liegen. Anders als regional orientierte Sparkassen könnte die COMMERZBANK AG bundesweit einheitlich dieses Zielsegment z.B. mit attraktiven Ratenkredit-Angeboten, einer professionellen Baufinanzierungsberatung oder Anlageberatung / (Fonds-) Vermögensverwaltung für sich begeistern.

Bei der DEUTSCHE BANK AG entscheidet mittlerweile eine „Doppelspitze“ über Wohl und Wehe der Bank, die auf der Ergebnisseite immer noch unter hohen Belastungen aus dem Investmentbanking- und Immobiliengeschäft – verbunden mit einer Reihe von realisierten Bußgeld- (z.B. in den USA) und Prozeßrisiken (z.B.: Kirch) – der vergangenen Jahre leidet. Das Privatkundengeschäft hat sich erholt, nicht zuletzt durch den quantitativen Kundenzuwachs, den man über die Beteiligung an der POSTBANK AG generieren konnte. Das Mengengeschäft wurde rechtlich auch in eine „separate Bank“ (Deutsche Bank Privat- und Geschäftskunden AG) ausgegliedert, ebenso teilt sich der verbleibende „Rest“ der Bank in rechtlich selbstständige Einheiten auf (die AG selbst sowie ein Unternehmen für die HNWI = High Net Worth Individuals, also Personen mit hohem Netto-Vermögen).

Im Gegensatz zur COMMERZBANK AG profitiert die DEUTSCHE BANK AG noch immer von ihrem positiven Marken-Image als seriöse, solide deutsche Großbank, die aber gleichzeitig ein globaler Player im internationalen Bankgeschäft mit höchster Reputation ist. Chancen liegen für dieses Institut insbesondere in den Bereichen der mittleren und großen mittelständischen Unternehmen mit internationaler Ausrichtung sowie bei den damit untrennbar verbundenen Unternehmern bzw. Unternehmer-Familien. Letztgenannte wurden in den vergangenen Jahren mehr als stiefmütterlich von der Bank behandelt, das (Kredit-) Geschäft mit dem Mittelstand nahezu aufgegeben. Ebenso sollten die Kompetenzen im Wertpapier- und Vermögensanlage-Bereich (Asset Management) für Privat- und Firmenkunden sowie Institutionen wieder mehr in den Fokus rücken, um langfristig rentable Geschäftsaktivitäten entwickeln zu können. Ein zentrales Thema könnte dabei etwa die Lösung des Problems der „privaten Altersvorsorge“ sein, das künftig über ein völlig unzureichendes Angebot der Lebensversicherer brach liegt.

Das Segment der Privatbanken hatte sich in den vergangenen Jahrzehnten sehr bequem in der HNWI-Ecke platziert und sich hinsichtlich verschiedener Überlegungen bezüglich des eigenen Geschäftsmodells geflissentlich zurück gehalten. In der Handvoll noch verbliebener deutscher Privatbanken (z.B. Hauck & Aufhäuser, Merck Finck, Berenberg oder Metzler) überwog in der Unternehmensstrategie zunächst passives Abwarten und Beobachten, musste man doch den Niedergang der einstigen Top-Adresse Sal. Oppenheim, deren „Filetierung“ und schließliche Auflösung sowie den Zustrom internationaler Adressen – vor allem aus der Schweiz – verkraften.

Aktuell drückt das von allen Häusern mehr oder weniger gezahlte Lehrgeld aus dem Investmentbanking-Abenteuer, so dass man nunmehr in erste ernsthafte strategische Überlegungen rund um die zukünftige Ausrichtung einzusteigen scheint. Die Ergebnisse sprechen von dem Ziel, den Kundengruppen „echten Mehrwert“ zu bieten, etwa in der „Anlageberatung und Vermögensverwaltung für Unternehmer aus dem Mittelstand und für freie Vermögensverwalter“ (Stephan Rupprecht, Partner und Mitglied des Führungsteams von Hauck & Aufhäuser in einem aktuellen Handelsblatt-Interview). Na prima. Dumm ist nur, daß sich in diesen Segmenten bereits nahezu alle Institute tummeln! Selbst die eigentlich für eine Top-Beratung von Privat- oder Firmenkunden nachweislich nicht geeigneten Sparkassen und Genossenschaftsbanken buhlen um dieses Klientel. Das drückt auf den Preis, erhöht die Kosten und schmälert die Gewinnmarge. Die deutschen Privatbanken können über ihren künftigen (exklusiven) Marktauftritt allenfalls noch über die Erschließung weiterer globaler Märkte punkten und in den weltweiten Wachstumsregionen (insbesondere in Europa, den USA und Asien) mit einem High End-Angebot für HNWI mit der DEUTSCHE BANK AG und anderen internationalen Bankhäusern konkurrieren. Hierbei wird künftig die Luft allerdings sehr eng!

ENDE TEIL 1

Getaggt mit , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , ,